Gedenken zum 09. November

05. Nov 2020

Gedenken zum 09. November

Ansprache in Gedenken an den 09. November 1938 von Pfarrerin Kathrin Wittich-Jung.

Am Abend des 09.11. würden wir uns unter Umständen an einem Kaufhaus in Wolfhagen treffen.

An dieser Stelle stand mal die Synagoge. Da sind Menschen ein- und ausgegangen und haben gebetet. Die Synagoge war das Zentrum der jüdischen Gemeinde. Aber die Synagoge gibt es nicht mehr. In der Nacht vom 9. November 1938 wurde sie niedergebrannt.

Aber nicht nur bei uns in Wolfhagen: Überall in Deutschland brannten in dieser Nacht Gotteshäuser, jüdische Geschäfte und Häuser. Scheiben wurden eingeschlagen und Bücher verbrannt. Nationalsozialistische Horden fielen über die jüdischen Mitbürgerinnen her.

Progromnacht. Oder Reichskristallnacht, wie man diese Nacht früher nannte. Weil die Scherben auf den Straßen wie Kristalle glitzerten. Jetzt war endgültig kein Platz mehr in dem nationalsozialistischen Regime für jüdische Kultur, Klezmermusik und jüdischen Glauben. Die Nacht war der Beginn von Deportationen in Konzentrationslager und der systematischen Vernichtung des jüdischen Volkes. Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges 1945 wurden mehr als sechs Millionen Jüdinnen und Juden in deutschen Konzentrationslagern ermordet. Unfassbar.

Heute halten viele Menschen inne. Gedenken der Opfer und mahnen zum Frieden. Ich finde das wichtig. Denn die alten judenfeindlichen Parolen tauchen wieder auf: An den Stammtischen. In den Schulen. Im Internet. Auch heute müssen jüdische Einrichtungen unter Polizeischutz stehen. Es gibt Anschläge auf Synagogen – erst letztes Jahr in Halle. Wir dürfen den rassistischen und antisemitischen Parolen und Handlungen keinen Raum geben.

Selig sind die Frieden stiften sagt Jesus in der Bergpredigt. (Matthäus 5, 9) Das braucht manchmal Mut – und das fängt schon im kleinen Rahmen an: Wenn einer im Freundeskreis oder im Verein wieder einen antisemitischen Witz erzählt, ist das manchmal nicht leicht, Paroli zu bieten. Da wird man schnell abgestempelt als Spaßbremse. Aber da fängt es an. Im Kleinen. Mit den vermeintlichen Witzchen und beschmierten Wänden. Da darf man nicht den Mund halten und wegschauen.

Am 9. November 1938 war es vorbei mit den kleinen Witzchen. Da ging es dann richtig zur Sache. Das darf nicht mehr passieren. Nie wieder. Deswegen ist es wichtig, sich heute an die Nacht damals zu erinnern. Und zum Frieden zu mahnen. Selig sind die Frieden stiften, denn sie werden Gottes Kinder heißen.

Pfarrerin Kathrin Wittich-Jung, Wolfhagen

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